Pressemitteilung
Rettenbeck: Kein Weitblick beim Finanzplan - 75 Millionen Euro Neuverschuldung in drei Jahren
Haushaltsrede vom 17. Februar 2020
Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen, welches ich schon vor einigen Jahren an den Beginn meiner Haushaltsrede stellte: „Die absolute Gegenwart, die Konzentration auf das Jetzt- das ist das gesamtgesellschaftliche Problem, das hinter den Schwierigkeiten vieler Jugendlicher steht, ins Leben zu finden. Oder umgekehrt formuliert: Der gesamten Gesellschaft fehlen die Perspektiven…“ sagt Claus Tully, der am Deutschen Jugendinstitut in München arbeitet und an der FU Berlin und FU Bozen lehrt.
Diese Fixierung auf das Hier und Jetzt dominiert leider auch immer mehr die politischen Debatten und das Handeln vieler Politiker. Manchmal gewinnt man den Eindruck, diese kurzfristige Politik produziert Probleme, mit der sich künftige Generationen herumschlagen müssen. Aber es ist ja schon heute so, dass unsere aktuellen Probleme auf mangelndem Weitblick in der Vergangenheit zurückzuführen sind. Nur ein negatives Paradebeispiel ist dafür sicherlich der Klimawandel. Es ist noch gar nicht so lange her, dass man beispielsweise als Vertreter der ÖDP von politischen Mitbewerbern lächerlich gemacht oder auch beschimpft wurde, wenn man auf die Gefahr des Klimawandels aufmerksam machte – und zu der Zeit waren dies nicht Vertreter der AfD, die gab es damals noch nicht! Umso erstaunlicher, dass der Landkreis bereits 2009 unter der Landrätin Bruni Mayer einen Beitritt zum Klimabündnis beschlossen hat, einem Bündnis, das sich zum Ziel gesetzt hat, die CO2-Emissionen alle fünf Jahre um 10 % zu senken und zugleich die Emissionen auf 2,5 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr und Einwohner zu senken. Leider wurde dieser Beschluss ziemlich schnell vergessen und nie wirklich richtig gelebt! So stand beispielsweise einige Jahre später die von unserer Fraktion angestrebte Umstellung der Heizung am Landratsamt von Gas auf Hackschnitzel auf des Messers Schneide; nicht zuletzt der Hartnäckigkeit der ehemaligen Landrätin Bruni Mayer ist es zu verdanken, dass der Landkreis heute positiv auf diese Tatsache hinweisen kann.
Auch bei der Forderung zur A94 zeigt ein Weitblick immer mehr Menschen im Inntal, welche Probleme durch die Transitautobahn auf die Bürgerinnen und Bürger im Inntal zukommen können. Nicht nur die Stadt Simbach am Inn droht eine erhebliche Lärm- und Schadstoffbelastung. Auch den übrigen Gemeinden im Inntal droht dasselbe Schicksal, wie den Gemeinden entlang des Isentales. Die viel gepriesene Lebensader droht zur chronischen Nervensäge für viele Anwohner im Inntal zu werden.
Ein Weitblick bei den Rottal-Inn-Kliniken zeigt uns, dass wir noch mehr in das Klinikpersonal investieren müssen. So wichtig und richtig es ist, in die Krankenpflegeschule zu investieren und wieder an den Standort des Krankenhauses Eggenfelden zurückzuführen, so wichtig und notwendig ist es auch, die Arbeitsbelastung des Klinikpersonals zu reduzieren. Und ein Weitblick zeigt uns auch, dass die von E&Y empfohlenen Stellenstreichungen insbesondere beim Pflegepersonal falsch waren. Dass die Mehrheit des Kreistages bereit ist, für Investitionen wieder Zuschüsse zu leisten, ist ein erster Schritt. Dennoch muss das Klinikpersonal immer noch Gewinne für Investitionen erwirtschaften, was nicht deren Aufgabe ist. Aktuell handelt es sich hierbei um einen Betrag von 1,1 Millionen Euro.
Dass der Landkreis in Zukunft auch in ein Hospiz und in die Berufsschule investieren möchte, begrüßen wir und findet auch unsere grundsätzliche Zustimmung. Nicht umsonst rühren wir seitens unserer Fraktion seit Anfang 2018 die Werbetrommel für ein stationäres Hospiz im Landkreis und haben dem Hospizverein Ende 2018 dafür auch eine zweckgebundene Spende zukommen lassen.
Nun noch ein paar Anmerkungen zu den Zahlen des Haushaltes: Dieser ist weiterhin positiv geprägt von einem hohen Steueraufkommen mit einer entsprechend hohen Umlagekraft: 2016 stieg diese um 15 %, 2017 um 6,5 %, 2018 um 1,3 %, 2019 um 13 % und in diesem Jahr nochmals um 1,6 %! Das gestiegene Steueraufkommen war auch die Grundlage für den deutlichen Schuldenabbau von 44,9 Millionen Euro in 2013 auf aktuell 28,6 Millionen Euro. Trotz der Umlagekraftsteigerung gebührt aber auch der Landkreisverwaltung mit dem Landrat an der Spitze unser Dank und Anerkennung für diesen Schuldenabbau.
Dagegen können wir andere Zahlen nicht nachvollziehen: Alle Jahre wieder werden Zahlen im Haushalt präsentiert, die einem geneigten Leser imponieren: Aktuell stehen im Haushalt 2020 hierfür 28,8 Millionen Euro zu Buche. Und auch die Plan-Zahlen in der Vergangenheit waren schon beeindruckend. Was aber schon seit Jahren auffällt, die die Diskrepanz zwischen angekündigten Investitionen und realisierten Investitionen. Beispiel 2018: Damals waren 20,7 Millionen Euro an Investitionen geplant, realisiert wurden aber nur 12,7 Millionen. Dass es eine Abweichung zwischen Plan und Ist geben kann ist mir klar – aber eben nicht in dieser Höhe.
Für die Senkung der Kreisumlage sind durch Rücklagen und den auch nicht getätigten Investitionen in der Vergangenheit ein Spielraum vorhanden und unterstützen wir und dem Haushalt werden wir zustimmen.
Aber jetzt nochmals zum Weitblick: Einen solchen können wir im Finanzplan für die nächsten Jahre nicht erkennen. Eine geplante Neuverschuldung von sage und schreibe 75 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren ist dort eingeplant. Natürlich ist es sinnvoll, angesichts der Null-Zins-Politik über Kreditaufnahmen nachzudenken und diese auch über das normale Maß zu tätigen – aber in dieser Größenordnung nein! Diese Kredite gilt es ja auch wieder zurückzuzahlen, dies vielleicht dann, wenn die Steuerquellen nicht mehr so üppig sprudeln. Wir wollen den Kreisräten der nächsten Amtsperioden keine solch hohen Hypotheken auferlegen und werden den Finanzplan deshalb ablehnen.
Sepp Rettenbeck, ÖDP-Fraktionsvorsitzender